Über den Bestand
Der Bestand besteht aus ca. 300 Postkarten, sowie vereinzelten Briefen und anderen Lebenszeugnissen, die sich im Privatbesitz der Familie Engler (Untereggen) befinden. Nach einer ersten Begutachtung lässt sich das Gros des Postkartenbestandes ca. dem Zeitraum von 1900 bis 1920 zuordnen, was ungefähr der Zeitspanne entspricht, die in der Forschung übereinstimmend als Blütezeit des Postkartenversands gilt (konkret 1895-1918).1 Dennoch sind auch einige bereits in den 1880er Jahren geschriebene Postkarten erhalten geblieben, ebenso wie spätere Exemplare (nach 1920). Ungeachtet der vielen unbeschriebenen Postkarten, weisen die meisten Postkarten Empfänger*innen auf, die im Umkreis der – überwiegend in Rorschach angesiedelten – Familien Engler und Bieger verortet werden können. Demensprechend darf wohl angenommen werden, dass die Postkarten – oder zumindest die beschrifteten – nicht erst später akquiriert wurden, sondern bereits Anfang des 20. Jahrhunderts in der Familie gesammelt wurden. Aber auch die unbeschrifteten Postkarten wurden möglicherweise bereits damals von einem Familienmitglied erworben, welches die Sammelleidenschaft seiner Zeitgenossen teilte und als Hobby Postkarten sammelte: Denn bereits kurz vor der Jahrhundertwende waren Postkarten begehrte Sammelobjekte. So wurden in der Zeit von ca. 1895-1918 nicht nur Postkarten auf Hochtouren produziert und verkauft, sondern auch Sammlervereine für illustrierte Postkarten gegründet, Sammlermagazine herausgegeben und Postkartenmessen veranstaltet. Aufgrund dieser Sammelfreude gingen geschätzt 20% der produzierten Postkarten direkt nach ihrem Verkauf in den Besitz von Sammler*innen über, ohne dass sie je beschrieben und verschickt wurden. 2 Das Hobby war bei beiden Geschlechtern ähnlich beliebt und verbreitet, sodass Frauen etwa die Hälfte der Sammler*innen ausmachten: Es war eine günstige wie lehrreiche Freizeitbeschäftigung, durch welche man sich – auch über die Grenzen seiner Heimat hinweg – ein Bild von der Welt machen, sich Wissen (oder eher Neugigkeiten) aneignen und sich dadurch (zumindest in dieser Hinsicht) auch etwas emanzipieren konnte.3
Leider ist zur frühen Sammlungspraxis der Familie nichts Genaueres bekannt, da aber – zumindest gemäss momentanem Bearbeitungsstand – viele der Korrespondenzen an Emma und Therese Engler adressiert sind, könnte es durchaus sein, dass der ältere Postkartenbestand (u.a.) auf die Sammeltätigkeit der beiden Schwestern zurückgeht. Wie und weshalb genau die Postkarten schlussendlich im Besitz von Bonifaz Engler (1919-2015) – meinem Grossvater – landeten, ist nicht ganz klar. Möglicherweise erbte er die Postkarten von seinen Tanten (Emma und Therese Engler), welche zeit ihres Lebens kinderlos geblieben schienen. Generell war das Vererben von Postkartensammelalben an die Nachkommen eine übliche Praxis, die möglicherweise auch auf diesen Postkartenbestand zutrifft, auch wenn die Karten nicht in einem Album gefunden wurden. Die Beschädigungen an den Ecken von manchen Postkarten (z.B. Q.01.008) erhärten jedoch die Vermutung, dass die Postkarten (oder zumindest Teile davon) zeitweise in einem Sammelalbum oder einer Art Sammelkartei aufbewahrt wurden. Vom Kartentypus her sind gerade Ansichtskarten mit Abbildungen von Städten, historischen Gebäuden und Monumenten, aber auch von moderner Architektur im Bestand stark vertreten und scheinbar gern verschickt worden. Vor allem unter den bis und um die Jahrhundertwende datierten Postkarten hat es aber auch zahlreiche bilderlose Postkarten. Nebst vereinzelten Postkarten mit Ansichten und/oder Nachrichten aus Afrika und Amerika besteht der Bestand überwiegend aus im europäischen Kontext entstandenen Bildern und Korrespondenzen.
Zur Organisation des Bestandes
Da die – alle in derselben Schachtel aufgefundenen – Dokumente keiner Ordnung folgten und noch nicht erschlossen sind, wurde eine grobe Kategorisierung und (ev. nur provisorische) Signaturenvergabe vorgenommen. So wurden alle beschriebenen Postkarten mit dem Kürzel «Q.01.001» aufsteigend versehen, wobei der erste Teil der Signatur (Q.01.) stets unverändert bleibt. Dasselbe Prinzip wurde auf die vereinzelten Briefe (Q.03.001 aufsteigend), unbeschriftete Postkarten/bebilderte Karten/Fotografien (Q.02.001 aufsteigend) und restliche Dokumente (Q.04.001 aufsteigend) angewendet. Innerhalb der Korrespondenzen (Postkarten und Briefe) wollen dann – wenn möglich – in einem nächsten Schritt Korrespondenznetzwerke als Konvolute zusammengeschlossen werden, die in sich (bzw. deren dazugehörige Korrespondenzen) wiederum chronologisch geordnet wären sodass man dem Verlauf der Korrespondenz zwischen gewissen Personen folgen könnte. Übrige, einzelne Postkarten würden schlicht alphabetisch (Titel, Alternativtitel) oder möglicherweise erst thematisch (z.B. Ereignispostkarten, topographische Karten, usw.) und innerhalb des Themas alphabetisch geordnet werden. Da aus Kapazitätsgründen jedoch noch nicht der ganze Bestand erschlossen werden konnte und dementsprechend noch nicht klar ist, welche Postkarten gemeinsam mit anderen einem Korrespondenznetzwerk zugeordnet werden können und welche als Einzelobjekte «übrig» bleiben, werden die erstellten Grobsignaturen vorerst beibehalten.
1. Vgl. u.a. Kreis, Georg: Schweizer Postkarten aus dem Ersten Weltkrieg, S. 8.
2. Vgl. Staack, Birgit/Schüssler, Franziska: Die ganze Welt im Wohnzimmer: shmh.de/de/hamburgwissen/dossiers/geschichte-der-postkarte (Zugriff am 02.02.2022).
3. Vgl. ebd.
Ariane Engler, Version vom 15.02.2022.